Zuletzt haben wir darüber gesprochen, warum gemeinnützige Organisationen Mut zu Öffentlichkeitsarbeit mit Haltung haben sollten, bei der Sprechzeit im September ging es um die Frage nach dem ‘Wie’? Im Mittelpunkt am 10. September standen ganz praktische Schritte und Tipps, wie Themen zu Nachrichten werden. Wie platzieren wir ein Thema in der Presse? Wie macht man Journalist*innen neugierig auf das, was man zu sagen hat?

Warum Nachrichtenwert entscheidend ist

Medien sind Selektionsmaschinen. Jeden Tag müssen Redaktionen hunderte von möglichen Geschichten sortieren und in kurzer Zeit entscheiden: Was davon ist für unser Publikum relevant? Der Hebel für Sichtbarkeit ist daher der Nachrichtenwert.

Unter Nachrichtenwert versteht man die Kriterien, nach denen Journalist*innen eine Geschichte auswählen. Die meisten Themen schaffen es nicht in die Berichterstattung, weil sie diesen Kriterien nicht genügen – nicht, weil sie „unwichtig“ wären, sondern weil der Mehrwert für ein breiteres Publikum nicht klar erkennbar ist.

Für gemeinnützige Organisationen gilt: Die „großen“ Nachrichtenfaktoren wie Prominenz oder Skandal sind oft schwer zu bedienen. Aber Aktualität, Nähe und Konflikt lassen sich auch mit kleinen Ressourcen glaubwürdig liefern. Wer diese Faktoren klar herausarbeitet, erhöht die Chance auf Resonanz deutlich.

Fragt euch bei jedem Thema: Warum sollte eine Redaktion genau jetzt berichten? Je mehr der folgenden Punkte erfüllt sind, desto größer die Chance, dass Journalist*innen „anbeißen“.

  • Aktualität: Gibt es einen Anlass oder eine neue Entwicklung?
    z. B. frisch veröffentlichte Zahlen, eine neue Studie, ein aktuelles Ereignis
  • Tragweite: Wen betrifft es – und wie viele?
    Viele Menschen, eine besonders relevante Zielgruppe, ein gesellschaftlich sensibles Feld
  • Dramatik oder Konflikt: Wo liegt der Streit, das Problem, die Konsequenz?
    drohende Schließung, Scheitern, unfaire Praktiken, Widerspruch zwischen Akteuren
  • Prominenz/Bündnis: Wer steht (noch) hinter dem Thema?
    Politikerin, bekannte Organisation, ein breites Unterstützungsnetzwerk*
  • Überraschung/Kuriosität: Gibt es etwas, das niemand erwartet hat?
    ein ungewöhnlicher Blickwinkel, ein starkes Bild, eine Zahl, die überrascht

Zwei aktuelle Beispiele aus der Praxis

Offener Brief an das Statistische Bundesamt

Als das Statistische Bundesamt im Sommer 2025 beschloss, die Armutsquote auf Basis des sogenannten Mikrozensus-Kern nicht mehr zu veröffentlichen, war die Fachszene alarmiert. Gemeinsam mit vielen Unterzeichner*innen haben wir mit GKS Consult einen Offenen Brief formuliert.

Die Botschaft:

  1. Problem: Das Statistische Bundesamt schränkt Armutsberichterstattung ein.
  2. Beleg: Die Armutsquote nach Mikrozensus-Kern wird auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes nicht mehr ausgewiesen.
  3. Forderung: Rücknahme der Änderung, Transparenz schaffen.

Das Ergebnis: breite Medienberichterstattung, angestoßen durch eine erste Exklusivmeldung des Redaktionsnetzwerks Deutschland, und in der Folge Nachfragen von Abgeordneten und Wortmeldungen weiterer Unterstützer*innen.

Das Thema war aktuell, konfliktträchtig, politisch relevant – es hatte gleich in mehrfacher Hinsicht Nachrichtenwert.

  • Nähe/Tragweite (viele Akteure, die die Daten nutzen: Forschung, Zivilgesellschaft, Politik)
  • Aktualität (neue Praxis des Statistischen Bundesamtes, aktueller Protestbrief)
  • Konflikt (Streit um Veröffentlichungs-Praxis)
  • Bündnis/Prominenz (viele Unterzeichnende)

Jugend-Umfrage zur Ausbildungssuche in Berlin

Ein zweiter Case: Gemeinsam mit dem DGB Berlin-Brandenburg und dem Landesschülerausschuss hat GKS Consult knapp 500 Berliner Jugendliche zur Ausbildungssuche befragt. Pünktlich zum Ausbildungsstart im August wurde das Thema vorgestellt und eine Schlagzeile geboren: Jede*r Zweite erlebt Ghosting durch Betriebe.

Auch hier griff die 3-Satz-Regel:

  1. Problem: Jugendliche werden im Bewerbungsprozess „geghostet“.
  2. Beleg: Eigene, aktuelle Umfrageergebnisse.
  3. Forderung: Mehr Verbindlichkeit von Betrieben, Ausbildungsumlage.

Die Resonanz war stark: RBB Fernsehen, Tagesspiegel, Neues Deutschland und weitere Medien griffen das Thema auf. Besonders spannend: Die Ergebnisse wurden sogar in der Folgeberichterstattung zu einer IHK-Studie zitiert; ein Beispiel dafür, wie eigene Daten anschlussfähig zu öffentlichen Debatten werden können.

Auch hier gab es Nachrichtenwert in mehrfacher Hinsicht

  • Aktualität (aktuelle Zahlen zu einem aktuellen Anlasse: Ausbildungsstart)
  • Tragweite (betrifft viele Jugendliche in Berlin)
  • Dramatik/Negativität (“Ghosting” durch Betriebe), Konflikt (IHK-Studie zu gleichem Thema mit anderen Schwerpunkten)
  • Politische Relevanz (laufende Debatte in Berlin um die geplante Ausbildungsumlage)

Vom Anlass zur Botschaft:
Praxisübungen in der Sprechzeit

Nach den Cases ging es in die Praxis: Welche Anlässe gibt es in den nächsten Wochen, die Teilnehmende nutzen können? Und wie lassen sich eigene Anlässe schaffen, etwa durch eine kleine Umfrage oder Best-Practice-Beispiele, die Evidenz schaffen? Durch die Formulierung von Protestbriefen, eine symbolische Aktion oder ein anderes Bündnis-Papier?

Danach folgte die obligatorische Übung mit der 3-Satz-Formel, um klare Botschaften zu formulieren. Denn ohne eine Botschaft brauchen wir uns weder um Anlässe noch Nachrichtenwert Gedanken machen. Viele merkten: Es ist gar nicht so leicht, sich so kurz zu fassen. Aber gerade darin liegt die Kunst und die Chance, von Journalist*innen auch wirklich zitiert zu werden.

  1. Aussage (Was kritisierst du am Status Quo? Wo liegt das Problem?)
  2. Begründung (Fakt/Zahl oder Praxisbeispiel)
  3. Forderung (mit Adressat: wer soll was tun?)

Oder ihr könnt folgende Formel nutzen:

Wir fordern…
weil…
damit…

5 Takeaways aus der Sprechzeit

  1. Ohne Aufhänger keine Presse. Pressearbeit braucht einen klaren Anlass, externe Termine oder selbst geschaffene Aufhänger.
  2. Nachrichtenwert ist der Schlüssel. Prüft eure Themen konsequent an den Kriterien Aktualität, Tragweite, Dramatik, Nähe, Prominenz.
  3. Eine Botschaft in 3 Sätzen. Problem benennen – Beleg liefern – Forderung formulieren.
  4. Instrumente gezielt wählen. Pressemitteilung, Hintergrundgespräch, Offener Brief oder PK; jedes Format hat eigene Stärken.
  5. Eigene Evidenz = größte Chance. Studien, Umfragen, Aktionen oder Brandbriefe: Wer selbst Anlässe schafft, erhöht Sichtbarkeit und Resonanz.

Ausblick

Die nächste Sprechzeit Kommunikation & Soziales findet am 1. Oktober 2025 statt. Diesmal widmen wir uns dem Thema Employer Branding in der Sozialwirtschaft. Denn Medienpräsenz zieht nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit an, sondern im Zweifel auch neue Fachkräfte. Die Anmeldung ist wie immer kostenfrei über unsere Website möglich.


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