Wie erleben junge Menschen die Suche nach einem Ausbildungsplatz in Berlin und Brandenburg? Diese Frage stand im Zentrum einer Umfrage, die GKS Consult im Auftrag des DGB Berlin-Brandenburg durchgeführt hat. Fast 500 Jugendliche haben daran teilgenommen und offen über ihre Erfahrungen berichtet. Die Ergebnisse sind ernüchternd und ein Auftrag an Politik und Wirtschaft.
Jugendliche wollen Ausbildung, aber zu fairen Bedingungen
Mehr als die Hälfte der befragten Schüler*innen möchte eine Ausbildung beginnen. Besonders gefragt sind Handwerk, Soziales, Gesundheit und Technik.
Doch fast jede*r Zehnte findet keinen Platz im Wunschbereich.
Ein erheblicher Anteil ist zudem noch unentschlossen, was die Forderung nach einer verstärkten Berufsorientierung an Schulen unterstreicht.
Wichtige Kriterien für eine gute Ausbildung aus Sicht der Befragten sind gute Bezahlung (58%/ Schüler*innen: 67%) und ein gutes Team (61%). Das mit Abstand am häufigsten genannte Argument gegen eine Ausbildung war das Geld (30%), gefolgt von schlechten Arbeitsbedingungen (12%) und einem schlechten Arbeitsklima (12%).
Die Botschaft ist klar: Jugendliche wollen Ausbildung, aber nicht um jeden Preis.
Orientierung? Oft zu spät und zu wenig
Jede*r Dritte fühlt sich nicht ausreichend informiert über Ausbildungsmöglichkeiten. Die wichtigsten Quellen sind Internet und Familie, während Berufsberatung zwar rückwirkend als hilfreich bewertet wird, aber tendenziell zu spät greift. Eine Jugendliche sagt: „Gefühlt muss man schon alles wissen, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen.“
Insgesamt sagen 46 Prozent aller Befragten, dass ihnen mehr Unterstützung in der Schule helfen würde bzw. geholfen hätte, eine passende Ausbildung zu finden. 45 Prozent wünschen sich bessere Informationen über Ausbildungsmöglichkeiten und 40 Prozent mehr Praktika. Auch werden mangelnde Transparenz über (offene) Ausbildungsplätze beklagt und zielgruppenspezifische Beratungsangebote bspw. für Frauen oder Migrant*innen vermisst.
Junge Menschen suchen aktiv und auf verschiedensten Wegen. Viele schreiben zehn oder mehr Bewerbungen (26%). Eine Befragte erzählt: „Ich hatte monatelang einen Schulplatz, aber keinen Praxisplatz. Ohne den Tipp einer Bekannten hätte ich aufgegeben.“
Viele fühlen sich auf der Suche schlicht alleingelassen. Und wer kein „Vitamin B“ hat, hängt oft in der Luft.
Bewerbungen: Ghosting und Diskriminierung
Viele Teilnehmer*innen berichten von ausbleibenden Rückmeldungen, ungerechten Verfahren und wachsender Resignation.
Besonders alarmierend: „Ghosting“ durch Betriebe ist traurige Realität. 58 Prozent haben schon einmal gar keine Rückmeldung auf ihre Bewerbung bekommen. Konkret: Mehr als jede*r Zweite wurde schon einmal von (potenziellen) Arbeitgebern „geghosted“, d.h. einfach wie Luft behandelt.
Fast jede*r Dritte hat es erlebt, dass nur eine Eingangsbestätigung kam und man dann nie wieder etwas gehört hat. 58 Prozent geben an, dass es mitunter mehrere Wochen gedauert hat, bis sie eine Reaktion auf ihre Bewerbung erhalten haben.
42 Prozent der Befragten geben an, bereits einmal einen Auswahltest gemacht haben zu müssen. Anforderungen und Auswahlverfahren werden dabei mitunter als unverhältnismäßig hoch erlebt und beschrieben.
Und, ein weiterer höchst alarmierender Befund: 41 Prozent berichten von Diskriminierungserfahrungen, etwa wegen Noten, Geschlecht, Name oder Herkunft. Und 40 Prozent fühlen sich schlicht nicht ernst genommen.
Das ist kein Passungsproblem, das ist ein Wertschätzungsproblem.
Klare Vorstellungen, klare Forderungen
Die Umfrage zeigt: Jugendliche sind nicht ratlos. Sie haben klare Vorstellungen, was es braucht. 61 Prozent nennen fehlenden Wohnraum als Hürde, 52 Prozent schlechte Vergütungen. Ein Drittel wünscht mehr Beratung und Praxiseinblicke schon in der Schule.
Die Jugendlichen benennen, was sie brauchen:
- faire Bezahlung
- Respekt im Bewerbungsverfahren
- transparente Informationen über offene Plätze
- Unterstützung bei Wohnen und Mobilität
- gute Anleitung im Betrieb
Und: Drei Viertel unterstützen die Ausbildungsumlage, also die Idee, dass sich jeder Betrieb an der Ausbildung junger Menschen beteiligen muss, sei es durch eigene Ausbildungsplätze oder durch einen finanziellen Beitrag.
Fazit
Dreierlei lässt sich zusammenfassend festhalten:
Ausbildungsplätze fehlen oder sind für viele schwer erreichbar.
Die Ausbildungsstatistik mag rechnerisch eine Vielzahl offener Stellen ausweisen, für viele junge Menschen fühlt sich die Lage dennoch wie ein Mangel an. Ausbildungsplätze müssen aber nicht nur vorhanden sein, sie müssen auch zugänglich sein.
Das System demotiviert, statt zu ermutigen.
Ghosting, stereotype Fragen, respektlose Behandlung – das alles raubt Motivation. Der Weg in die Ausbildung aber sollte einladend und unterstützend sein, nicht demütigend oder entmutigend. Wir haben ein Wertschätzungs-, kein Passungsproblem.
Jugendliche wissen sehr genau, was sie brauchen.
Sie fordern faire Bezahlung, Respekt, transparente Bewerbungen, Unterstützung bei Wohnen und Mobilität, gute Anleitung im Betrieb. Alles Dinge, die wohl jede*r sich von einem guten Arbeitsplatz erwartet.
Die Umfrage zeigt:
Wer sucht, findet oft keine passende Ausbildung. Und wer findet, fühlt sich nicht immer willkommen. Junge Menschen wollen in Ausbildung, aber zu viele Betriebe lassen sie einfach abblitzen. Das ist respektlos. Und es verschärft den Fachkräftemangel.
Welche politischen Forderungen sich daraus ergeben, haben wir gemeinsam mit dem DGB bei der Pressekonferenz am 29.08.2025 vorgestellt. Klar ist: Ohne faire Bedingungen wird Ausbildung für viele Jugendliche zur Frust-Erfahrung, und das kann sich unsere Gesellschaft nicht leisten.
Zum Kontext:
In Berlin wird derzeit viel über Ausbildungspolitik gesprochen. Ziel der Umfrage war es, die Erfahrungen und Perspektiven junger Menschen in dieser Debatte sichtbar zu machen. Die Diskussion um die geplante Einführung einer Berliner Ausbildungsumlage wird bislang sehr einseitig aus Unternehmenssicht geführt. So kritisiert die IHK Berlin die geplante Ausbildungsumlage als bürokratisch und ineffizient und spricht auf ihrer Website von einer “Strafabgabe”. Die Betroffenen, junge Menschen auf Ausbildungssuche, kommen bisher kaum zu Wort. Mit der Umfrage wird ein Beitrag dazu geleistet, diese Leerstelle sichtbar zu machen und jungen Menschen Gehör zu verschaffen. Die Ergebnisse der Umfrage stehen dabei nicht im luftleeren Raum. Andere aktuelle Studien – vom DGB-Ausbildungsreport über die u-form Recruiting Trends bis hin zu den Bertelsmann Ausbildungsperspektiven – haben zuletzt bereits einige Probleme des Ausbildungsmarktes thematisiert: zu wenig Orientierung, unzureichende Vergütung, fehlende Chancen für viele Jugendliche. Unsere Umfrage bestätigt diese Linien und macht sie konkret: mit Stimmen, Erfahrungen und klaren Forderungen aus der Region Berlin-Brandenburg. Wir setzen den Fokus auf die Erfahrungen der jungen Menschen bei der Ausbildungssuche selbst und geben Jugendlichen eine Stimme, die in vielen anderen Studien gar nicht vorkommen.
Mehr Informationen zum Thema gibt es auf der Schwerpunktseite des DGB Bezirk Berlin-Brandenburg zur Berliner Ausbildungsumlage.
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