Öffentlichkeitsarbeit ist nie Selbstzweck. Wer sich, seine Organisation, seine Arbeit sichtbar macht, will gesehen werden – und verfolgt ein Ziel: Angebote und Leistungen sollen bekannt und genutzt, neue Besucher*innen, Klient*innen oder auch Unterstützer*innen gewonnen werden. Dabei geht es nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern auch um Haltung.
👉 Wie NGOs sich dabei sichtbar mit Haltung positionieren können, habe ich im ersten Beitrag dieser Reihe beschrieben:
Sichtbar mit Haltung: Wie NGOs wirksam kommunizieren
In diesem Beitrag geht es um den nächsten Schritt: Wie lässt sich Öffentlichkeitsarbeit gezielt nutzen, um politische Wirkung zu erzielen? Gerade dann, wenn es ans Eingemachte geht – etwa bei drohenden Haushaltskürzungen, dem Abbau sozialer Infrastruktur oder der Notwendigkeit, auf Missstände aufmerksam zu machen.
Öffentlichkeitsarbeit kann mehr sein als Information – sie kann ein kraftvolles Instrument der Interessenvertretung sein. Voraussetzung: Man kennt die Spielregeln, hat eine klare Botschaft und traut sich, Stellung zu beziehen.
Öffentlichkeit als Hebel: Medienpräsenz schafft Aufmerksamkeit und Druck
Öffentlichkeitsarbeit kann ein kraftvolles Instrument der Lobbyarbeit sein. Sie verschafft Anliegen Gehör, gibt Argumenten Nachdruck und öffnet Türen – gerade in der Politik. Denn politische Entscheidungsträger*innen achten auf Stimmungen und Mehrheiten: Wer es schafft, mit seiner Position, Kritik oder Expertise öffentlich präsent zu sein, kann Einfluss nehmen.
Das gilt insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Debatten oder politischer Entscheidungen. Wer dann als kompetente Stimme wahrgenommen wird – in der Zeitung, im Radio, in sozialen Medien – zwingt Verantwortliche zur Auseinandersetzung. Und ganz ehrlich: Wenn es um Existenzen oder die Not von Menschen geht – was haben wir zu verlieren?
Medienlogik verstehen: Was interessiert Journalist*innen wirklich?
Erfolgreiche Pressearbeit folgt bestimmten Spielregeln. Redaktionen berichten nicht über alles – sondern über das, was als „nachrichtenwert“ gilt: Aktuelles, Neues, Skandalöses, Einmaliges, Überraschendes – und vor allem: Relevantes. Themen, die viele betreffen, berühren oder interessieren.
In der Regel brauchen Medien „Anlässe“ für eine Berichterstattung: Wenn man nicht gerade verantwortliche*r Politiker*in oder eine prominente Person von besonderem öffentlichen Interesse ist, reicht es nicht, einfach „etwas mitzuteilen zu haben“ – man muss die eigene Botschaft geschickt „verpacken“, eigene Anlässe schaffen, damit eine Berichterstattung für Medien attraktiv wird. Oder aber man nutzt externe Anlässe, um eigene Botschaften zu platzieren, indem man bspw. aktuelle politische Ereignisse kommentiert, kritisiert oder auch durch eigene Praxisbeispiele illustriert. Letzteres wird umso häufiger gelingen, desto stärker man sich bereits als seriöse und flexibel verfügbare Ansprechperson gegenüber den Medien profiliert hat.
Damit aus einer Mitteilung ein Bericht wird, braucht es Anlässe – externe oder selbst geschaffene:
Externe Anlässe können sein:
- Gesetzesvorhaben, Parlamentsdebatten, Haushaltsverhandlungen
- Gerichtsurteile, Skandale, Verwaltungsentscheidungen
- Neue Studien oder amtliche Zahlen
- Äußerungen oder Entscheidungen politischer Akteure
- (Internationale) Gedenk- und Aktionstage
Eigene Anlässe können sein:
- Offene Briefe oder Petitionen
- Eigene Studien, Fallzahlen, Umfragen
- Stellungnahmen oder Problemanalysen
- Veranstaltungen, Protestaktionen, Kampagnenstarts
- Gemeinsame Positionspapiere mit Partnern
Timing zählt: Wer schnell ist, wird gehört
In der Medienlogik gilt: Wer sich früh äußert, hat die besten Chancen, als Quelle oder Interviewpartner*in berücksichtigt zu werden. Redaktionen suchen für ihre Beiträge oft unterschiedliche Stimmen: Pro und Contra, Regierung und Zivilgesellschaft, Politik und Fachpraxis. Wer sich dann mit einer prägnanten Position meldet, wird sichtbar – und im besten Fall zur wiederkehrenden Ansprechperson.
Späte Reaktionen haben es dagegen schwer. Es sei denn, sie überraschen mit einer Perspektive, die vorher niemand eingebracht hat.
Medienarbeit mit Plan: dem Erfolg eine echte Chance geben
Ob eine Pressemeldung letztlich zitiert wird oder nicht, hat man nie in der Hand. Was man aber in der Hand hat, ist, sich bestmöglich vorzubereiten und der Aussicht auf Berichterstattung auf die Sprünge zu helfen. Die Chancen für eine gute Medienresonanz kann man steigern, wenn man die eigene Botschaft so verpackt, dass Journalist*innen sie möglichst gut verwenden können.
Checkliste: Die Aussicht auf Medienresonanz steigt, wenn:
✅ das Thema gesellschaftlich oder intern auf großes Interesse stößt
✅ die eigene Position noch nicht öffentlich vertreten wurde
✅ ein aktueller Anlass besteht (extern oder selbst initiiert)
✅ die Botschaft konkret, verständlich und mit Beispielen belegbar ist
✅ die Wortmeldung frühzeitig erfolgt
Die klare Botschaft: Worauf es wirklich ankommt
Wer nichts zu sagen hat, braucht sich nicht an die Öffentlichkeit zu wenden. Wer aber etwas zu sagen hat und dies nicht verständlich formulieren kann, wird nur schwer Gehör finden.
Wer gehört werden will, braucht eine klare, zugespitzte Botschaft. Überlege deshalb:
- Was ist das Ziel Eurer Wortmeldung?
Sensibilisieren? Position beziehen? Forderungen formulieren? - Wer ist die Zielgruppe?
Politik? Öffentlichkeit? Medien? Fördernde? Klient*innen? - Was genau fordern wir – und von wem?
Bereitet Euch auf Pressegespräche, Interviews oder Social-Media-Statements gut vor. In einem O-Ton bleiben maximal 20–30 Sekunden – das sind zwei bis drei Sätze. Diese sollten zitierfähig sein: Jeder Satz muss allein stehen und verständlich sein, auch aus dem Zusammenhang gerissen.
Mut zur Meinung – mit Haltung und Verantwortung
Eine klare Botschaft zu haben – und diese auch vermitteln zu können, dient nicht nur der fachlichen Profilierung. Es macht Dich auch zu einer oder einem geschätzten Gesprächspartner*in für Medienvertreter*innen. Um Öffentlichkeitsarbeit als Instrument zu nutzen, um politischen Anliegen Nachdruck zu verleihen, braucht es die Zuspitzung – im Sinne einer Fokussierung auf den Kern eines Problems, eine Haltung für oder gegen Vorschläge, die zur Debatte stehen oder eben auch den Mut zur eigenen Meinung.
Manche befürchten: „Wenn wir Klartext reden, verscherzen wir es uns doch mit denen, von denen wir als öffentlich finanzierte Träger abhängig sind!?“ Das ist ein nachvollziehbarer Gedanke, aber auch ein Risiko: Was passiert, wenn man schweigt? Wenn Probleme nicht benannt, Missstände nicht öffentlich gemacht werden?
Richtig ist: Im Zweifel sitzen Politik und Verwaltung am längeren Hebel. Öffentlichkeitsarbeit erfordert daher Abwägung, Mut und Sorgfalt. Wer sachlich bleibt, gut belegt argumentiert und keine persönlichen Angriffe formuliert, bleibt auf sicherem Boden. Und: Der öffentliche Druck, den eine fundierte Wortmeldung erzeugt, kann oft mehr bewirken als stille Diplomatie.
Wer bei Fakten bleibt, Probleme konkret benennt und sachlich bewertet, was jemand konkret (und nachweislich) gesagt oder getan hat, tut nichts Verwerfliches. Wichtig: Seid sorgfältig und reagiert nicht auf Hörensagen. Prüft die Fakten und bei Forderungen genau, wer der richtige Adressat ist (in der Regel werdet Ihr Gremien oder aber Personen in deren Funktion oder Amt adressieren) und, ganz klar, werdet niemals persönlich oder beleidigend.
Vertrauliche Kommunikation: Wenn Zitate keine Option sind
Es gibt Situationen, in denen eine öffentliche Äußerung nicht möglich ist – etwa bei laufenden Verhandlungen. In solchen Fällen sind Hintergrundgespräche mit Journalist*innen ein bewährtes Mittel. Die journalistische Praxis kennt verschiedene Abstufungen:
- Unter 1. Zur freien Verwendung: Die Info darf mit Namensnennung zitiert werden.
- Unter 2. Zur Verwertung ohne Quelle: Die Info darf genutzt werden, aber ohne Namensnennung („aus Verhandlungskreisen…“).
- Unter 3. Vertraulich: Nur für den Hintergrund oder als Recherche-Anstoß, keine Veröffentlichung.
Diese Formate ermöglichen Einflussnahme – auch ohne offizielle Wortmeldung. Voraussetzung: gut gepflegte Medienkontakte.
Fazit: Wer Öffentlichkeit will, braucht eine Botschaft – und den Mut, sie zu senden
Öffentlichkeitsarbeit als Lobbyinstrument braucht mehr als einen schönen Flyer. Sie braucht Haltung, klare Ziele, das Wissen um Medienlogik – und manchmal auch den Mut zur Konfrontation. Wer Missstände benennt, Menschen eine Stimme gibt oder politische Entscheidungen hinterfragt, handelt nicht nur im Sinne der eigenen Organisation – sondern im Sinne einer demokratischen, sozialen Gesellschaft.
Terminhinweis: Sichtbar trotz Sparkurs – Medientipps für soziale Organisationen
Ob Social Media, Pressearbeit oder persönliche Gespräche mit Journalist*innen: Angesichts aktueller Kürzungspläne und Debatten um „Einsparungen“ im Sozialen muss die Stimme sozialer Organisationen gehört werden: jetzt erst recht! Wie wirksame Öffentlichkeitsarbeit funktionieren kann – auch mit knappen Ressourcen – ist Thema meines kostenlosen Webinars am 2. Juli 2025.
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„Sprechzeit: Sichtbar trotz Sparkurs“
Mehr zum Thema Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit in der Praxisbroschüre „Überzeugend sozial“
Einige der Inhalte dieses Beitrags stammen aus einem Text, den ich für die Broschüre „Überzeugend sozial – Soziale Organisationen wirkungsvoll positionieren“ des Paritätischen Berlin verfasst habe. Die Broschüre enthält viele weitere praxisnahe Tipps und Beispiele für erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit sozialer Organisationen. ➡️ Zur Broschüre als PDF (externer Link)
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